Der Große Preis von São Paulo 2024 versprach schon im Vorfeld Spannung pur – und die Formel 1 hielt, was sie versprach. Inmitten tropischer Temperaturen und chaotischer Bedingungen spielte sich auf dem Autódromo José Carlos Pace eines der ereignisreichsten Rennen der Saison ab. Bereits vor dem Renntag war klar: Eine clevere Strategie und fehlerfreies Fahren würden über Sieg oder Niederlage entscheiden. Doch niemand hatte damit gerechnet, dass Lando Norris mit seinem McLaren ein solches Meisterwerk abliefert und seinem ohnehin engen Kampf um die Weltmeisterschaft einen neuen, dramatischen Twist verleiht.
Schon nach dem Start wurde offensichtlich, dass die McLaren-Boliden perfekt für die schnellen Richtungswechsel und die langen Geraden des traditionsreichen Kurses abgestimmt waren. Norris, der sich in einer hervorragenden Form präsentierte, zeigte während des gesamten Rennens eine beeindruckende Übersicht. Während Konkurrenten wie Charles Leclerc nach einem Unfall bereits in der Aufwärmrunde ausschieden und Sergio Pérez mit Problemen zu kämpfen hatte, nutzte Norris jede sich bietende Gelegenheit und arbeitete sich zielstrebig an der Spitze vor.
Auch der amtierende Weltmeister Max Verstappen konnte trotz starker Pace dem Druck durch die McLaren-Piloten nur bedingt standhalten. Das Überholmanöver von Norris gegen Verstappen in Runde 20 – nach einem perfekten DRS-Zug auf der Start-Ziel-Geraden – wurde zum Highlight des Rennens und unterstrich den unbändigen Siegeswillen des jungen Briten. Doch auch hinter den beiden Topfahrern tobte ein mitreißendes Duell um die wichtigen Punkte, mit sehenswerten Zweikämpfen zwischen Fernando Alonso, Lewis Hamilton und George Russell.
Die größte Überraschung des Wochenendes war aber sicherlich die unglaubliche Standfestigkeit von McLaren. Während andere Teams mit Reifenabbau und technischen Problemen zu kämpfen hatten, funktionierte bei den Papaya-Farben alles wie am Schnürchen. Besonders der sorgfältig geplante Boxenstopp von Norris zum richtigen Zeitpunkt sicherte ihm einen entscheidenden Vorteil gegenüber der Konkurrenz. Die Strategieabteilung der Briten präsentierte sich einmal mehr als Benchmark der Formel 1 – ein Zeichen dafür, wie sehr McLaren in den letzten Jahren an Professionalität und Schnelligkeit zugelegt hat.
Aber nicht nur an der Spitze wurde spektakuläre Action geboten: Aston Martin überraschte mit starker Pace und ausgezeichnetem Reifenmanagement. Fernando Alonso, der Oldie im Feld, bewies erneut, dass mit ihm auch im hohen Rennsportalter weiterhin zu rechnen ist. Sein packendes Rad-an-Rad-Duell mit Sergio Pérez in den letzten Runden ließ die Herzen der Fans höherschlagen und sorgte für Begeisterung auf den gut gefüllten Tribünen. Russell, der nach einem schwierigen Qualifying von hinten starten musste, kämpfte sich mit beherzten Manövern ins Mittelfeld vor, zeigte sich jedoch selbstkritisch nach dem Rennen und sieht Steigerungspotenzial für die kommenden Wochen.
Ferrari hingegen blickte auf ein Wochenende zum Vergessen. Nach dem Ausfall von Leclerc war für Carlos Sainz nach mehreren Zwischenfällen kaum mehr als Schadensbegrenzung drin – ein weiterer Rückschlag im Kampf um die Spitzenplätze der Konstrukteurswertung. Auch Alpine und Williams mussten sich erneut hinter den Erwartungen einreihen, während Haas mit cleverer Strategie zumindest Achtungserfolge sammeln konnte.
Am Ende des Tages stand jedoch ein Mann im Mittelpunkt: Lando Norris. Mit seinem Sieg in Interlagos verkürzt er den Rückstand auf Verstappen und hält das Titelrennen weiterhin offen und spannend. Die Fans dürfen sich nun auf eine noch dramatischere zweite Saisonhälfte freuen, in der jeder Punkt zählen wird. Die Frage bleibt: Hat McLaren endlich die Formel 1 wieder aufgemischt und ist Norris bereit für den ganz großen Wurf? Nach diesem denkwürdigen Grand Prix von São Paulo scheint nichts unmöglich.