Nach dem jüngsten Grand Prix herrscht bei Ferrari Frust und Selbstkritik. Teamchef Frédéric Vasseur ließ sich nach einem enttäuschenden Wochenende ungewohnt offen in die Karten blicken. Die Scuderia, die in dieser Saison mit hohen Ambitionen gestartet war und sich im engen Konkurrenzkampf gegen Red Bull, Mercedes und McLaren behaupten will, musste sich eingestehen, dass sie in Barcelona das Potenzial ihres Autos nicht optimal genutzt hat. Statt eines Sprungs nach vorn gab es diesmal Rückschritte – und das zu einem Zeitpunkt, an dem jedes Detail im Titelkampf zählt.
Bereits im Qualifying zeichnete sich ab, dass die Roten nicht in ihrer besten Form waren. Trotz der Erwartungen, nach umfassenden Updates in Kanada einen Schritt nach vorn gemacht zu haben, gelang es Charles Leclerc und Carlos Sainz nicht, die Ferrari SF-24 auf die vorderen Startplätze zu bringen. Im Rennen gerieten beide Piloten erneut ins Hintertreffen. Während Leclerc sich auf Platz fünf rettete, kam Sainz nicht über den sechsten Rang hinaus – zu wenig für die traditionsreiche Scuderia, zumal man bei den direkten Rivalen die Fortschritte klar erkennen konnte.
Vasseur betonte nach dem Rennen, dass es weniger an einer einzelnen strategischen Entscheidung lag, sondern vielmehr an der Tatsache, dass es dem Team nicht gelang, das Gesamtpaket optimal auszuschöpfen. Die Schwierigkeiten beim Reifenmanagement und die fehlende Pace im entscheidenden Mittelfeld des Rennens hinterließen Eindruck bei Fahrern wie Teamführung gleichermaßen. "Wir haben einfach nicht das Maximum aus unserem Auto herausgeholt", resümierte der Teamchef – ein Satz, der bei allen Ferrari-Fans Erinnerungen an schwierige Saisons weckt.
Besonders auffällig war, wie unterschiedlich Ferrari mit den beiden Fahrern reagieren musste. Während Leclerc sich an seinem Teamkollegen abmühen musste und letztlich per Teamorder und Strategie vorbeikam, hatte Sainz Mühe, bei seinem Heimrennen noch ein Zeichen zu setzen. Beide Piloten klagten während des Grand Prix mehrfach über die Balance ihres Wagens. Insbesondere Leclerc war hörbar frustriert über Untersteuern und mangelnden Grip, was in Schlüsselmomenten des Rennens längst entscheidend war. Ferrari steht nun vor der Aufgabe, die gesamten Abläufe – von der Vorbereitung bis zum Renntag – auf den Prüfstand zu stellen.
Die Konkurrenz schläft indes nicht. McLaren und Mercedes präsentierten sich in Barcelona mit starken Leistungen, dabei waren ihre Entwicklungen in den vergangenen Wochen sichtbar effizienter. Red Bull bleibt ohnehin das Maß der Dinge, aber dahinter scheint der Kampf um die Verfolgerplätze härter zu werden. Ferrari weiß, dass bereits kleine Rückschritte unter diesem Druck sofort bestraft werden – ein Umstand, der auch Vasseur in seinen Statements durchklingen ließ. Seine Analyse wird intern als Warnruf verstanden, denn der Anschluss zur Spitze darf nicht verloren gehen.
Für die kommenden Rennen kündigte der Franzose daher intensive Detailarbeit an. Die Analyse der Daten, bessere Vorbereitung auf die jeweiligen Streckencharakteristika, und vor allem ein präzises Verständnis der eigenen Schwächen stehen ganz oben auf der Liste. Die Fans dürfen hoffen, dass Ferrari schnell kontert, denn das kommende Rennen in Österreich verlangt eine gänzlich andere Herangehensweise, vor allem im Hinblick auf das Temperaturmanagement und die Abstimmung auf schnelle Kurven.
Fazit: Ferrari steht derzeit an einem Scheideweg. Ein schwächeres Rennen wie in Barcelona darf nicht zur Regel werden, wenn man im engen WM-Kampf bestehen will. Die neue Offenheit und Selbstkritik könnten dabei helfen, um nachhaltig ans obere Ende des Feldes zurückzukehren. Dass Ferrari dazu in der Lage ist, steht außer Frage – jetzt ist jedoch die gesamte Mannschaft gefordert, die strukturelle Wende auf der Rennstrecke sichtbar zu machen.