Analyse: Die Taktik von McLaren beim Italien GP und die Folgen für die Formel 1
Die Formel 1 bleibt auch in der Saison 2024 ein heißes Pflaster für taktische Finessen und Teamstrategien. Besonders im Fahrerlager und in den Medien sorgt derzeit der Vorgehensweise von McLaren beim Großen Preis von Italien für Zündstoff. Die britische Traditionsmannschaft gewährte den Piloten Lando Norris und Oscar Piastri auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke von Monza die Freiheit zum Kampf – inklusive eines temporären Platztausches, bei dem Norris Piastri überholte und beide harte, aber faire Fights zeigten. Diese Entscheidung hat in der Szene eine lebhafte Debatte über "Teamorder" und sportlichen Wettkampf entfacht.
Mercedes-Teamchef Toto Wolff äußerte sich nach dem Rennen besorgt über die entstandene „Präzedenzfall“, den McLaren mit Ihrer großzügigen Herangehensweise geschaffen hat. Laut Wolff kann so eine Entscheidung nachfolgend andere Teams unter Druck setzen, ihren Fahrern ebenfalls größeren Spielraum zu gewähren. Gleichzeitig fürchtet man, dass dadurch unnötige Risiken entstehen könnten, wenn Teamkollegen einander mit zunehmender Härte begegnen. Wolff plädierte daher für ein differenziertes Abwägen zwischen Rennsport-Entertainment und dem übergeordneten Interesse des Teams.
Für die Zuschauer und leidenschaftlichen F1-Fans war der Reigen zwischen Norris und Piastri jedoch ein echtes Highlight. Selten sieht man zwei Teamgefährten, die auf einer solch ikonischen Strecke wie Monza Rad an Rad fahren und dennoch das gemeinsame Ziel, ein möglichst gutes Teamergebnis, nicht aus dem Blick verlieren. Am Ende durfte Norris als Erster der beiden McLaren-Piloten die Ziellinie überqueren; Piastri verkaufte sich aber ebenfalls stark.
Doch was bedeutet dieses Vorgehen für kommende Grands Prix und die Zukunft der Teamtaktik in der Formel 1? Historisch gesehen sind interne Teamduelle ein zweischneidiges Schwert. Sie bringen Spannung und Authentizität, können aber auch zu gravierenden Zwischenfällen führen – wie etwa den legendären Crash zwischen Hamilton und Rosberg 2016 in Barcelona. Gerade bei so ausgeglichenen Teamkollegen und engen Rückständen wird jedes Überholmanöver zum Nervenkrimi für Verantwortliche und Fans gleichermaßen.
McLaren setzte in Monza eindeutig auf Sportsgeist und das eigene Leistungsvermögen der Fahrer, anstatt auf starre Teamorder wie sie in früheren Jahren manchmal das Renngeschehen bestimmten. Teamchef Andrea Stella erklärte später, dass seine Fahrer in der Lage gewesen wären, laserseits zu agieren und gemeinsame Verantwortung für das Rennergebnis zu übernehmen. Diese Herangehensweise gilt in Zeiten von strikt getaktetem Datenmanagement und strategischer Risikovermeidung fast als mutig.
Die Diskussion geht weit über McLaren hinaus. Andere Teams sehen sich ebenfalls konfrontiert mit der Frage: Wie viel Ego und Eigenmotivation sollen die Piloten ausleben dürfen, ohne das Wohl des gesamten Teams zu gefährden? Red Bull zum Beispiel agiert häufig pragmatisch, Ferrari schwankt zwischen Freiheit und Kontrolle – vor allem dann, wenn es um WM-Punkte geht. Es zeichnet sich ab, dass die Diskussion diese Saison und darüber hinaus prägen wird.
Nicht zuletzt sorgt die neue Offenheit im Umgang mit internen Positionskämpfen dafür, dass die Rennen für die Fans an Spannung und Dramaturgie gewinnen. F1-Enthusiasten begeistert ein spektakuläres Rad-an-Rad-Duell in der Regel mehr als jeder von außen diktierte Platztausch. Sollte sich McLarens Ansatz durchsetzen und zu einer neuen Norm werden, dürfte das die „Königsklasse des Motorsports“ noch attraktiver machen – für die Fahrer und insbesondere für die Millionen von Zuschauern auf der ganzen Welt.
Fazit: Die Debatte um Teamorder und Freiheiten im Zweikampf erfährt durch McLarens Monza-Taktik neuen Schwung. Es bleibt spannend, wie die Verantwortlichen der F1-Teams künftig mit dieser Thematik umgehen werden. Sicher ist: Die Fans können sich auf weitere aufregende Rennen und packende Duelle „intra muros“ freuen.